Auf meinen Kommentar zum australischen Studiensystem haben viele bestimmt schon lange gewartet. Jetzt will ich ihn abgeben, bevor ich das Thema Uni ganz aus meinem Kopf gestrichen habe. Wie immer muss ich mir bei allem was ich sage bewusst sein, dass es öffentlich im Netz steht, und dass inzwischen evtl. auch Australier mitlesen.
Verallgemeinern ist immer gefährlich. Und doch kann man denke ich einiges im Allgemeinen über das australische System sagen. Die University of New South Wales, wo ich nun 2 Semster studiert habe, ist eine der angesehensten und größten Universitäten in Australien. Die Studiengebühren von mehreren tausen Dollarn im Jahr sind deutlich bemerkbar. Der Campus ist schick und die Ausstattung gut. Von Beratungs-Services bis Sport-Clubs ist alles vorhanden. Trotzdem bezahlt ein normaler kleiner Student für Ausdrucke und Kopien ganz schön viel Geld. Sowas ist durchaus nicht umsonst. Wir Honours Studenten sind allerdings privilegiert. Oh weia, jetzt wird's konfus. Also nochmal...
Die meisten Abschlüsse dauern hier 3 Jahre. Es studieren deutlich mehr Leute als in Deutschland. Dementsprechend würde ich das Niveau auch nicht als vergleichbar bezeichnen. Viele Studiengänge scheinen eher FH Niveau zu haben. Viele Berufe, die in Deutschland eine 3-Jährige Ausbildung erfordern, sind hier Uni-Abschlüsse, z.B. Krankenschwester, Buchhalter, u.s.w. Alles scheint mir etwas weniger akademisch, weniger wissenschaftlich, und natürlich mehr verschult. Das ist der Ruf, und er scheint zutreffend. Die meisten Australier beenden die Schule mit 18 (es gibt nur 12 Schuljahre), Klassen wiederholen ist hier äußerst selten, und die Wehrpflicht gibt's nicht. Der durchschnittliche Studienanfänger ist also deutlich jünger als in Deutschland. Und so wird man auch behandelt. Noch in dritt-Jahres-Kursen ist Anwesenheitspflicht und am Anfang jeder Stunde wird 5 Minuten lang die Liste durchgegangen.
Was Mathe speziell angeht, so ist das hier wirklich nicht mit Deutschland vergleichbar, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Man bekommt hier nicht den Eindruck, sie versuchen mit allen Mitteln, Leute loszuwerden. Es ist sehr viel studentenfreundlicher. Auf der anderen Seite geht es in Mathe ja auch gerade darum, an Problemen dranzubleiben und nicht aufzugeben, auch wenn man ewig nicht auf die Lösung kommt. Uns wurden im ersten Semester Aufgaben gegeben, die wir ganz offensichtlich nicht lösen konnten--nur um uns dazu zu bringen, darüber nachuzudenken. Das wäre hier absolut nicht möglich. Am Anfang haben Ingenieure und sämtliche Naturwissenschaftler zusammen Mathe--inklusive Mathematiker. Da kann man einfach nicht so loslegen wir bei uns. An Beweisen wird gespart und Rechenaufgaben machen sich breit.
Ich hatte letzes Semester hier einen dritt-jahres Algebra Kurs. Da hat er uns doch glatt am Anfang erzählt, dass der Unterschied zum ersten und zweiten Uni-Jahr sei, dass man ab sofort auch Beweise nachvollziehen und ab und zu sogar selbst ausdenken muss, und nicht mehr nur Aufgaben, die ähnlich wie in der Vorlesung (soll heißen gleiche Aufgabe, andere Zahlen) rechnen können muss. Das ist bei uns der Unterschied zwischen Schule und Uni, und nicht zwischen Grundstudium und Hauptstudium!!!
Und auch noch im 4. Uni-Jahr gilt das. Weniger Beweise, mehr rechnen. Und die angewandte Mathe ist hier echt richtig angewandt...
Aber bevor ich mich zu viel über das niedrige Niveau auslasse--einfach ist es trotzdem nicht! Obwohl es nicht immer dem Schwierigkeitsgrad entsprach, den ich gewohnt war, hat es doch wahnsinnig viel Zeit in Anspruch genommen. Selbst wenn Aufgaben machbar sind dauert es, bis man sie ordentlich gelöst hat. Und hier zählt alles. Nicht wie in Deutschland, dass man bei Übungsblättern und Klausuren nur eine bestimmte Punkte-Grenze überschreiten muss um einen unbenoteten Schein zu bekommen. Jedes Kinkerlitzchen zählt in die endgültige Note. Dafür hat man's dann am Semesterende nach den Klausuren aber auch geschafft. Mündliche Prüfungen kennen die hier in Mathe jedenfalls nicht.
Ich muss auch sagen, dass mir die lockere Atmosphäre hier sehr gut gefällt. Die Profs sind sehr bemüht (wenn auch nicht immer mathematisch oder didaktisch besser). Wenn man hingeht um Fragen zu stellen, nehmen sie sich Zeit--für Antworten und für ein Schwätzchen. Man redet sich generell mit Vornamen an, auch den Prüfungsausschussvorsitzenden. Mein Betreuer hat mich regelmäßig zur heißen Schokolade eingeladen :-)
Wir als Honours-Studenten haben auch schon einen "höhren" Status als der normale kleine Student. Also, das Honours-Jahr ist das vierte Studienjahr. Das macht längst nicht jeder. Die meisten hören nach 3 Jahren mit ihrem Bachelor auf. Honours darf nur machen, wer gut ist (und nach diesem 4. Jahr ist man zum PhD-Studium, also zum Doktor machen, qualifiziert). Das Jahr beinhaltet ganz normal Vorlesungen, und eine Studienarbeit (von der ihr schon so viel gehört habt). Als Honours-Student bekommt man einen eigenen Schreibtisch mit Computer in einem gemeinsamen großen Büro (okay, wir waren so ca. 15), darf Telefon, Drucker und Kopierer kostenlos nutzen (die Seitenzahlen sind begrenzt, aber ausreichend), wird zum Mitarbeiter-Fußball eingeladen u.s.w. Die Honours Kurse sind recht klein, meist zwischen 10 und 20 Teilnehmern. Sehr angenehm.
Generell stimmen einem die Australier zu, dass Studium hier meist reines Mittel zum Zweck ist. Man studiert, um einen gut bezahlten Beruf ergreifen zu können. Den meisten geht es nicht um akademisches Wissen. Das gibt es in Deutschland natürlich auch. Ist schwer zu beschreiben. Aber generell hat das Studium in Deutschland glaube ich einen anderen Stellenwert.
Hmmm, jetzt hab ich viel gesagt. Es war leider sehr konfus (wenn ich meinen DAAD Bericht schreibe sollte ich lieber besser drüber nachdenken!). Das waren die interessanten Dinge, die mir gerade so eingefallen sind.
Ach ja, das heutige Foto gibt's natürlich noch... Australische Mathematiker...

...genauer genommen unsere Maths Honours Clique Gina, ich, Ambros, James und Douglas, bei unserem letzten Treffen. Ein lustiger Haufen, wir hatten schon unseren Spaß zusammen!
Übrigens, Mensen kennt man hier nicht. Karopapier auch nicht. Und die Tafeln sind selbst im Mathe-Gebäude längst nicht so riesig wie in unseren Hörsälen. Nichtmal wirklich vergleichbar mit unseren MI-Übungsräumen, hihi. Da ist man ganz schön mit Wischen beschäftigt.